Gemeinschaftsbildender Wir-Prozess

Wir befinden uns in einer Zeit, die von Wandel und Veränderung geprägt ist. Antworten im alten Sinne taugen nur noch bedingt. Vielmehr geht es darum, den Willen und den Mut zu entwickeln, mit offenen Fragen zu leben und sich im Sinne Rilkes als Forscher in Neuland zu begeben, welches sich nur durch eine ehrliche und transparente Kommunikation erschließen lässt.

In diesem Sinne dient die Gruppe und der Gruppenkontext als Übungsfeld für eine Art radikale Subjektivität, die authentische Gemeinschaft und Verbundenheit jenseits von Erwartungen und Beurteilung erfahrbar werden lässt. Damit der Prozess sein ganzes Potential entfalten kann, braucht es von jedem von uns eine einzigartige Mischung aus wachsender Bewusstheit, Verantwortung und Hingabe: Wachsende Bewusstheit über das, was aus den Tiefen unseres Unbewussten in uns aufsteigen will, Verantwortung, uns mit dem, was in uns ist, zu zeigen und einzubringen. Die Fähigkeit der Hingabe braucht es, zur Annahme all dessen, was an Gefühlen, abgelehnten Gefühlen und Widerständen in uns und in anderen auftaucht. Dies alles ohne die Einladung oder Aufforderung einer Leitfigur, eines Lehrers, oder Therapeuten, sondern einzig getragen aus dem tiefen Wissen der Gruppe und der dadurch geteilten Verantwortlichkeit aller, solche Prozesse anzustoßen und gemeinsam durchzutragen.

Wir gehen davon aus, dass jede/r Teilnehmer/in die Kompetenz von Führungs-, und Leitungsqualität in sich trägt und somit Teil einer Gruppe ist, die von uns „group of all leaders“ genannt wird. Lassen wir uns auf dieses Übungsfeld und seine Herausforderungen ein, erwächst uns neben der Zunahme an sozialer Kompetenz im heilsamen Umgang mit menschlichen Themen und Wandlungsprozessen auch das Vertrauen in kollektives Wissen, in emotionale Nähe und Verbundenheit und in die transformatorische Kraft einer ehrlichen und offenen Kommunikation.

Orientierungsbojen

Die verschiedenen Phasen, die innerhalb des Prozesses in unterschiedlichen Reihenfolgen auftauchen können, machen die normale gesellschaftliche Kommunikation schnell sichtbar:

  • In der Pseudoharmonie werden oft Geschichten erzählt, die üblichen angelernten Umgangsformen praktiziert oder „über“ jemanden gesprochen. Durch verschiedene Empfehlungen, z.B. „spreche von Dir – gehe nicht in Reaktion“ wird diese Art der Kommunikation offensichtlich und schnell unangenehm.
  • Damit beginnt meistens die Chaosphase: Die persönlichen Glaubensbilder können die dahinter verborgenen Emotionen (Wut, Zorn, Angst, Trauer) nicht mehr zurückhalten. Vorwürfe, destruktive Angriffe oder Übersprunghandlungen scheinen jegliche gemeinsame Entwicklung unmöglich zu machen. Hier wird dann die Empfehlung „bleibe bis zum Ende“ wichtig, denn unser Geist ist gewohnt unbekanntes Terrain durch Abbruch zu verlassen.
  • In Mitten des vollständigen Chaos kann dann in unterschiedlichen Facetten Leere auftauchen: Trostlos und schwer – und vielleicht später wie durchlässig werdend und in ein leichteres „Nichts mehr da, was wichtig wäre“ übergehend.
  • Wenn an diesem Punkt einzelne Menschen der Gruppe sich in unmittelbaren Impulserleben zeigen können – und seien diese noch so „ver-rückt“- kann sich ein Feld der authentischen Erfahrung für die ganze Gruppe öffnen. Dabei wird ein Geschmack dessen offensichtlich, was es heißt, dass „das Ganze (also die Gruppe) mehr ist, als die Summe ihrer Teile“. Gleichzeitig ist dieser Prozess nicht linear, kann also auch jederzeit anders verlaufen – es gibt keine festen Muster.

In der Regel wird der WIR-Prozess nur bei den ersten Treffen oder bei Schwierigkeiten innerhalb bestehender Gruppen begleitet. Die Aufgabe der Begleitung besteht darin, den geschützten Raum zu halten, gelegentlich Impulse zu geben oder auf Energieveränderungen hinzuweisen. Je nach Ablauf können dabei auch zeitliche Unterbrechungen, Kleingruppen, Körperarbeit oder andere Arbeitsmethoden vorgeschlagen werden. Der Begleiter/in wird gleichzeitig auch Teil des Gruppenprozesses sein – es gibt also nicht nur kein vorgeplantes „Programm“, es gibt auch keine Vorgaben für die Begleiter.
Immer wieder erinnert uns die Gemeinschaftsbildung an eine Ausnüchterungskur: Stück für Stück befreit sich eine Gruppe von Ihrem normalen Sozialisationsverhalten, fällt alles ab, was unecht ist. Ohne dass eine Gruppe sehr stark dahin gehend gelenkt werden muss, wird sie an die Gefühle herangeführt, vor denen im normalen Alltagsverhalten meist abgelenkt wird. Es ist befreiend, sich nicht verstellen zu müssen, um irgendwelchen Konventionen zu genügen. Man kann sich auf das konzentrieren, was einem wichtig ist, was gerade da ist, auf das jetzt - ohne in irgendeiner Form durch ein „Du solltest oder Du musst“ abgelenkt zu werden.
Auf diese Art kommt eine Gruppe durch diese 4 Phasen zu immer mehr Tiefe und Authentizität. Der Prozess wird bestimmt durch die Bereitschaft der Teilnehmer sich zu öffnen und sich dem zu stellen, was auftaucht, jeder entscheidet selbst, wie viel er sich zumuten möchte.

David Bohm, einer der wichtigsten Schüler des großen spirituellen Lehrers Krishnamurti hat zu dem gleichen Zeitpunkt, zu dem Scott Peck die Gemeinschaftsbildung entwickelt hat, einen sehr ähnlichen Rahmen entwickelt, den er den Dialog nennt und den er in dem gleichnamigen Buch beschreibt.
Er sagt, dass wir Menschen wieder etwas lernen müssen, was wir bereits 1 Million Jahre gemacht haben, aber in den letzten 5.000 Jahren nicht mehr existiert hat:
in einer authentischen Art und Weise in einer Gruppe zusammen zu sein. Die Stammesmenschen würden wahrscheinlich ihren Kopf schütteln, darüber wie wir meist in einer Gruppe von Menschen kommunizieren. Es geht darum wieder zu lernen, auch auf der verbalen Ebene in einer tiefen und nährenden Art und Weise zusammen zu sein, wo nicht der Kopf regiert und die Gefühle unter dem Tisch ihr Dasein fristen müssen. David Bohm spricht von Soziotherapie, also keine individuelle Therapie, sondern ein Gemeinschaftsprozess in dem man die Sozialisations- und Konditionierungsmuster bewusst macht. Wobei es letzten Endes nicht um Therapie geht, gemäß dem Motto: Dort wo keine Therapie oder Heilung versucht wird, kann am besten Heilung stattfinden.

Das Vier-Schichten-Persönlichkeitsmodell korrespondiert sehr stark mit den 4 Phasen der Gemeinschaftsbildung (Pseudo, Chaos, Leere und Authentizität). Es wird heutzutage an vielen Stellen gelehrt und stammt ursprünglich von Wilhelm Reich (der Charakterpanzer).

Es besteht aus:

  • der äußeren Anpassungsschicht,
  • den abwehrenden Gefühlen (Hass, Trotz, Eifersucht, Gier, Neid),
  • den abgewehrten Gefühlen (Trauer, Schmerz, Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit, Nichtverstandensein)
  • dem inneren Kern, dem Selbst.

Dieses Modell korrespondiert sehr gut mit den vier Phasen der Gemeinschaftsbildung, da diese verschiedenen Schichten bzw. Phasen direkt miteinander im Zusammenhang stehen. Die Anpassung entspricht dem Pseudo, das Chaos der Abwehr, die Phase der Leere oder Entleerung korrespondiert mit der Verletzlichkeit, den Gefühlen, die auftauchen, wenn die Abwehr durchschritten oder aufgehoben wird, dem Schmerz, der Trauer, der Einsamkeit etc. Das Selbst, der Kern, kann man mit Authentizität gleichsetzen.

In dem persönlichen Wachstumsprozess geht es darum, sich durch diese verschiedenen Schichten zu arbeiten, um wirklichen Kontakt zu dem eigenen inneren Gefühlsleben zu finden und authentisch im Leben sein zu können. Natürlich gibt es Situationen, wo es richtig ist, auf der Ebene von Pseudo und Anpassung zu reagieren, aber im allgemeinen geht es darum, für den anderen wirklich offen zu sein, in der Verletzlichkeit zu bleiben (3. oder 4.Phase/Schicht), nicht mit Abwehr zu reagieren, auch wenn man angegriffen wird.
Wenn man es schafft, relativ stabil in diesem Zustand der Verletzlichkeit oder Authentizität zu bleiben, ist der Energiefluss offen, ist man mit dem Leben und sich selbst in Kontakt. Bei der Gemeinschaftsbildung im Sinne des tiefen WIR, durchlaufen die Mitglieder gleichzeitig, sowohl als Gruppe als auch individuell diese verschiedenen Schichten bzw. Phasen.

Die Gruppe unterstützt die/den Einzelne/n, tiefer in die tiefen Schichten der „Zwiebel” zu gelangen, als es ihr/ihm aus eigener Kraft möglich sein würde. Dieser Prozess läuft bei der Gemeinschaftsbildung relativ bewusst ab. Das heißt, man bekommt die Gelegenheit, sich selber und sein Verhalten im Verlauf dieser verschiedenen Schichten zu studieren bzw. zu erleben. Dies ist der generelle Vorteil bei verbalen Prozessen gegenüber den Nonverbalen.
Andererseits beinhaltet die Sprache die größere Gefahr zu intellektualisieren und von den Gefühlen wegzugehen. Deswegen ist der gemeinschaftsbildende Prozess auch so nützlich, weil es auch sehr stark um diese Flucht vor den Gefühlen in unserer Verwendung der Sprache geht. Darin wird jedes einzelne Mitglied gefordert, weil diese Aufgabe nicht von der Leitung abgenommen wird. So lernt jeder, wann er eingreifen muss, wann es ihm zu kopflastig oder langweilig wird.
Warum ist das so wichtig? Weil Gefühle Lebensenergieträger sind und wenn Gefühle unausgesprochen bleiben oder gar weggesperrt werden, können wir auch nicht mehr in vollem Umfang unser Potential ausschöpfen, dann tragen wir unmittelbar dazu bei, dass sich das Gemeinschaftspotentiell nicht voll entfalten kann.

Die Phase Chaos hat viel mit Kritik zu tun. Das gegenseitige Feedback ist sehr wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung, gibt einem die Möglichkeit, Verdrängungen aufzuheben und blinde Flecken anzuschauen. Bei dem gemeinschaftsbildenden Prozess kann man üben, wann es richtig ist, den anderen zu kritisieren bzw. es nur einen Versuch darstellt, von den eigenen Dingen abzulenken, sich dem anderen überlegen zu fühlen, seine eigenen Themen auf den anderen zu projizieren. Es heißt bei der Gemeinschaftsbildung, es geht nicht darum, den anderen zu therapieren, zu überzeugen oder zu heilen. In der Phase des Chaos findet aber meist genau das statt. Wenn die Gruppe aber dranbleibt, also nicht auf Grund der entstehenden Spannungen und Konflikte auseinander fällt, kommt sie in die tiefere Phase der Entleerung und Verletzlichkeit. In dieser Schicht wird nur noch aus dem eigenen Gefühl heraus kritisiert, wenn man selber ein zu großes Problem hat, was man nicht mehr alleine lösen kann und auf die Korrektur der anderen angewiesen ist. Wenn man sich verletzt fühlt, schlägt man nicht einfach zurück, sondern formuliert die eigenen Gefühle des Schmerzes und gibt auf diese Art ein Feedback. Das kann von dem anderen ganz anderes angenommen werden, es ist viel einfacher, sich auch zu öffnen, den Fehler zuzugeben oder einfach den Schmerz des anderen, den man ausgelöst hat, mitzufühlen.

Faktor Stille als Katalysator der Wandlung

Ein entscheidender Faktor bei der Gemeinschaftsbildung ist die Stille. Normalerweise wird diese sehr schnell als unangenehm in einer Gruppe empfunden, als Ausdruck, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wenn aber von vorn herein die normalen Regeln der Sozialisation aufgehoben werden, es niemanden vorgeschrieben wird wie er sich verhalten soll, entsteht relativ schnell erst mal Stille. Bei der Gemeinschaftsbildung wird diese als normal akzeptiert, manchmal ist sie drückend, manchmal sehr angenehm. Es kann in Ruhe gewartet werden, bis neue Impulse auftauchen.
Oft ist dieses Schweigen sehr wichtig, braucht es seine Zeit, damit etwas entstehen, ausgebrütet werden kann. Diese Stille wird oft als Wandlungsprozess erlebt.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt bei der Gemeinschaftsbildung ist die Empfehlung, nur zu reden, wenn man bei sich einen Impuls dafür wahrnimmt.
Wenn die Mitglieder dieses gut beherzigen, kann der Große Geist, die Universelle Energie, das Geistige Universum, das Unbewusste oder wie man es sonst nennen mag, Regie führen. Das ist eigentlich der wichtigste Teil der Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck, auf diese Art funktioniert diese „Group of all leaders” und erreicht eine ähnliche bzw. mehr Tiefe, als wenn es einen Leiter geben würde.
Diese zentrale Empfehlung fordert den einzelnen Teilnehmer, es ist gleichzeitig für jeden eine wichtige Auseinandersetzung mit sich selbst. Spüre ich einen wirklichen Impuls, möchte ich mich nur wichtigmachen, reagiere ich nur auf den anderen, ohne es wirklich bei mir sacken zu lassen? Muss ich dem anderen ein Feedback geben, weil es offensichtlich ist, dass er nicht aufgrund eines wirklichen Impulses redet und es mich zu sehr stört? Auch bei so einem Feedback oder Kritik geht es darum, nach innen zu horchen, ob es bei mir wirklich einen Impuls gibt, diese Aussage zu machen.
Wenn die Beiträge zu schnell hintereinander kommen, man also das Gefühl hat, dass man sehr schnell sein muss, um überhaupt einen Beitrag einbringen zu können, ist dies meist ein deutliches Zeichen, dass diese Empfehlung, nur zu reden, wenn man den Impuls dafür spürt, in der Gruppe nicht angewendet wird.
Das würde dann von uns Moderatoren/Begleitern/innen nach einer gewissen Zeit angesprochen, wenn es innerhalb eines Workshops geschieht. Bei einer Gruppe ohne Leitung, die in diesem Punkt bereits Übung hat, wird es von Mitgliedern der Gruppe angesprochen. Da jeder für den Erfolg seiner Teilnahme an der Gruppe selber verantwortlich ist, hat jeder die Aufgabe, anzusprechen, wenn für ihn etwas nicht stimmt. Auch hier gilt wieder das Gesetz des Impulses.

Ist die Suche nach authentischer Begegnung und Gemeinschaft nicht etwas sehr zentrales in unserem Leben, vielleicht sogar einer der wichtigsten Impulse unseres Zeitgeistes? Was wird wichtig, wenn die materielle Versorgung gewährleistet ist, es nicht mehr nur um schneller und besser geht?
Gemeinschaft hat offensichtlich etwas mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun, und wir befinden uns an einem Punkt, an dem es darum geht, die Masken fallen zu lassen, das schützende Ego aufzugeben.

Ken Wilber spricht von dem Übergang von der 5. zur 6. Entwicklungsstufe der Menschheit, von der Rationalen zur integral holistischen Ebene. Um diese neue Stufe entwickeln und aufrechterhalten zu können, braucht es offensichtlich Gemeinschaft. Über sie können wie wir den heil(igen)enden Geist wieder zurück in unsere Gesellschaft einladen, wirkliche Spiritualität, welche durch die Entwicklung der rationalen Stufen stark verdrängt worden ist.

Was trägt ein Unternehmen/ eine Gemeinschaft auf lange Sicht?

Ich bin mir nicht sicher, wie tragend eine Gemeinschaft ist, es sei denn, sie hat eine klar formulierte Aufgabe. Gesunde Organisationen haben einen Auftrag, der oft mit einer Philosophie und einer formulierten Vision einhergeht, die ständig erneuert und verbessert wird. Wir vermuten, dass es etliche Zweckgemeinschaften gibt, die entweder keinen Auftrag haben oder ihn seit Jahren nicht mehr angeschaut haben.

„Niemand möchte Gemeinschaften aufbauen, in denen es keine Spannungen gibt.“
In unserer Zeit hat sich die Idee von Gemeinschaft sehr weit verbreitet. Sie bezeichnet nicht mehr nur den Platz an dem man lebt, sondern steht für ein Netz von Beziehungen, in denen jeder eingebettet ist. Arbeit, Schule, freiwillige Vereinigungen, Computer-Netzwerke, all das sind Gemeinschaften und trotzdem leben ihre Mitglieder oft weit verstreut. Jede Gruppe muss, um Gemeinschaft im eigentlichen Sinne zu bilden, eine Reise antreten, die vier Phasen durchläuft: »Pseudogemeinschaft« in der die Nettigkeit vorherrscht, »Chaos« wo die emotionalen Leichen aus dem Schrank kriechen, »Leere«, eine Zeit der Stille und des Übergangs, und zuletzt, »wirkliche Gemeinschaft«, gekennzeichnet durch zwei Elemente: tiefe Ehrlichkeit und tiefe Anteilnahme.

„Tiefes Wir“ macht den Unterschied zwischen einer Arbeitsgruppe und einem Team

Wir Menschen sind fühlende Wesen. Oft stellen sich Gefühle zwischen Menschen, zwischen Menschen und Organisation oder Regeln der Organisation. Wir verlieren innerhalb eines Teams, einer Abteilung, eines Unternehmens, unter Teamleitern, unter Führungskräften, die Verbundenheit untereinander. Unser Umgang ist nicht mehr authentisch, Energie und Synergien gehen verloren. Wir fallen aus dem gemeinsamen Flow, der normalerweise entstehen kann, wenn Menschen gemeinsam um ein gemeinsames Ziel ringen. Stattdessen entsteht passive Verweigerung, so tun als ob, Handeln nach Vorschrift, innere Emigration usw.
Ein Team/ eine Gruppe von Menschen wird nicht einfach zur Gemeinschaft und bleibt Gemeinschaft. Immer wieder fällt es/sie aus diesem Zustand raus, zurück ins Chaos oder in die Pseudogemeinschaft, in der es zu Reibungsverlusten kommt, zu Entfremdung, zu einem Auseinanderfallen von Außen und Innen. Was eine gesunde, weiterführende, nachhaltige und somit erfolgreiche Gemeinschaft kennzeichnet, ist die Geschwindigkeit, mit der sie feststellt: „He, wir haben es/uns verloren. Wir müssen zurück und an uns selber arbeiten.“ Eine Gemeinschaft muss regelrecht sich selbst stressieren, um ihr Gleichgewicht zu verlieren und sich gemeinsam auf den Weg zu machen, die neue, zukunftsfähige Spur miteinander ans „Licht“ zu holen.

Die Wir-Prozesse, zu denen wir einladen schmelzen solcherart Verkrustungen ab, lösen Vorbehalte, Sperrigkeiten oder gar Verweigerungen wieder auf.
Was es dazu braucht ist Mut. Mut zur Begegnung, die eigene Wahrheit offen zu machen, aufgestaute Vorwürfe, Distanzbedürfnisse, die die Arbeitsfähigkeit schwächen, offen auszutragen. Eigene Befindlichkeiten auszutragen, um wieder neu in tragende, gesunde, Freude ausstrahlende Arbeitsprozesse und Miteinander zu kommen.
Schicht um Schicht sich und den Anderen näher kommen. Sich als gemeinsames Gefäß verstehen lernen, in dem sich alle Impulse zeigen und austragen dürfen. Sich der Führung dieser Prozesse überlassen lernen.

Auf diese Art kommt eine Gruppe durch die Phasen von Pseudo-Gemeinschaft, Chaos und Leere schließlich zu authentischer Gemeinschaft. Der Prozess wird bestimmt durch die Bereitschaft der Teilnehmer, sich zu öffnen und sich dem zu stellen, was auftaucht. Jeder entscheidet selber, wie viel er sich zumuten möchte.
Während wir im Kreis sitzen und nach den Empfehlungen der Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck zusammen sind, kann sich jede/r einzelne auf das konzentrieren, was gerade da ist, auf das jetzt - ohne in irgendeiner Form durch ein „Du solltest“ oder „Du musst“ abgelenkt zu werden.

Die Prozesse beruhen auf Werten wie:

  • Sei pünktlich zu jeder Gesprächs-Runde
  • Sag bitte Deinen Namen, bevor Du sprichst
  • Sprich in der ICH – Form.
  • Sprich von Dir und Deiner momentanen Erfahrung (erforsche Dich, doziere nicht, rechtfertige Dich nicht)
  • Verpflichte Dich, am Ball zu bleiben, dran zu bleiben (bleibe bis zum Ende jeder Runde)
  • Schließe ein – vermeide jemanden auszuschließen
  • Drücke Dein Missfallen in der Gruppe aus, nicht außerhalb vom Kreis
  • Sei verantwortlich für Deinen persönlichen Erfolg (was Du für Dich aus der Runde oder dem Workshop herausholst)
  • Sei beteiligt mit Worten oder auch ohne Worte
  • Sei emotional anwesend in der Gruppe
  • Höre aufmerksam und mit Respekt zu, wenn eine andere Person Dir etwas mitteilt. Formuliere nicht schon eine Antwort, während der andere spricht
  • Bitte überprüfe deine Intention, bevor du eine Frage stellst.
  • Frage bewusst um Erlaubnis wenn du Ratschläge, Interpretationen, Analysen und Bewertungen geben willst.
  • Fehler sind immer erlaubt.
  • Respektiere bitte (absolute) Vertraulichkeit
  • Erkenne den Wert von Stille und Schweigen in Gemeinschaft
  • Gehe ein Risiko ein!
  • Höre auf Deine innere Stimme und sprich, wenn Du dazu bewegt bist. Sprich nicht, wenn Du nicht dazu bewegt bist
  • Sprich von Herzen
  • Fasse Dich kurz
  • Keine Fragen, keine Ratschläge - jeder über sich selbst

Das Ziel von Gemeinschaft ist nicht die Hierarchie abzuschaffen.
Nochmals, die Kunst einer Organisation liegt darin, zu lernen, wie man in einer hierarchischen und höchst strukturierten (hierarchisch strukturierten), sowie zielorientierten und gleichzeitig gemeinschaftlichen Art und Weise funktioniert. Es ist wichtig die Technik des Umschwenkens zu beherrschen. Je klarer die Rollen definiert sind und je strukturierter die Organisation ist, umso leichter geht das Hin- und Herschwenken.
Je verschwommener die Struktur, umso schwieriger wird genau das. Es braucht verbindliche Strukturen,, aber immer wieder neu auch Entidentifizieren von entwickelter Organisation und Struktur, auch ein Infragestellen der eigenen Rolle, ein Modellieren mit der Rolle, letztendlich aber immer in Verbindlichkeit mit den zuletzt festgelegten Kultur- bzw. Organisationsregeln. Es geht also um eine Weiterentwicklung des bereits Bestehenden in Verbindlichkeit zu dem bereits Gewordenen.

Das einzige Hindernis innerhalb einer Organisation Gemeinschaft aufzubauen und zu erhalten ist nicht struktureller Natur. Es ist politisch. Wenn man jemand an der Spitze hat, der nicht bereit ist die Struktur loszulassen - auch nur eine Zeitlang, vielleicht um sie in ihrer Selbstverständlichkeit zu prüfen - oder der alles dominieren muss, dann wird man keine Gemeinschaft in dieser Organisation vorfinden. Deshalb müssen Leute in einer Organisation und besonders die an der Spitze, willig sein ihre Rolle und ihre Stellung zeitweilig loszulassen.
Wir führen nicht mehr hierarchisch initiierte Organisationsentwicklung durch, sondern leiten dialogische Organisationsfindungsprozesse zu bestimmten Themen, zum Ganzen, zur Kultur von Einheiten zu Abläufen von Arbeitsprozessen usw.

das 4 Schichten-Persönlichkeitsmodell

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Joachim Armbrust & Sandra Rose

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